Abälard, Petrus (1079-1142)
„Geb. 1079
in Pallet (oder Palette) bei Nantes. Er genoß den Unterricht der Scholastiker Roscelinus,
Wilhelm von Champeaux u. a. Er lebte und lehrte an
verschiedenen Orten, besonders in und bei Paris (Schloß
Melun, Corbeil). Sein
Liebesverhältnis mit Heloise (vgl. den Briefwechsel
zwischen beiden, Reclams Universalbibliothek), der Nichte des Domherrn Fulbert, verlief bekanntlich schließlich so, daß sowohl Heloise als Abälard ins Kloster gingen.
A. starb
1142 in der Priorei St. Marcel bei Chalons. Als
Lehrer hatte A. einen großen Erfolg, aber auch heftige Gegner, besonders in
Bernhard von Clairvaux. Wiederholt verwarf die Kirche
seine Lehren.
A. ist einer der bedeutendsten Vertreter der
älteren Scholastik. Er betont mit großem Freimut das Recht der Vernunft und
des Zweifels gegenüber der bloßen Autorität. Der Glaube ist wohl das Höchste,
aber die Vernunft muß die Gründe des Glaubens
darlegen und auch entscheiden, welcher Autorität zu folgen ist.
- In »Sic et non« werden einander
widersprechende Aussprüche von Autoritäten vorgeführt und die Methode
angegeben, wie man den Widerspruch lösen könne; die Schrift ist das
Vorbild zu den theologischen »Summen« (Sentenzensammlungen).
- Die Dreieinigkeit Gottes wird
so aufgefaßt, daß Gott
Vater die Macht, Gott Sohn die Weisheit und der heilige Geist die Güte
oder Liebe ist. Die »Dialektik« hat nach A. zur Aufgabe die Unterscheidung
des Wahren vom Falschen (»veritatis seu falsitatis discretio«). Voraussetzung der Logik ist die Physik.
Die Worte sind Erfindungen der Menschen, stehen aber zu den Dingen in
natürlicher Beziehung.
In bezog
auf den Universalienstreit vertritt
A. einen vermittelnden Standpunkt, wobei er aber dem Nominalismus nähersteht.
- Das Allgemeine liegt nicht in
den Worten selbst. sondern in den Aussagen (»sermones«,
Sermonismus), in den Bedeutungen der Worte. Das
Allgemeine ist ein »sermo praedicabilis«,
eine begriffliche Bedeutung (Konzeptualismus): es ist das von vielem Aussagbare (»quod de pluribus natum est praedicari«).
- Das Allgemeine ist daher kein
Ding, keine selbständige Wesenheit. Die Universalien (oder die Ideen)
existieren vor der Schöpfung nur als »conceptus mentis« (Gedanken) im göttlichen Geiste.
Am
bedeutendsten ist A.'s Ethik. Diese zeigt, wie das höchste Gut durch die Tugend erreicht
wird.
Auf die
Gesinnung, den guten Willen sowie auf das Gewissen kommt alles an, nicht auf
äußere Werke, die an sich weder gut noch schlecht sind.
- Die Tugend ist »bona in habitum solidata voluntas«. Das Sittliche liegt stets in der »intentio animi«, die Sünde
in der Zustimmung zum Bösen, in der Absicht, in dem, was das Gewissen
verwirft (»non est peccatum
nisi contra conscientiam«).
- Wenn eine Handlung sowohl
objektiv als subjektiv richtig ist, dann ist sie gut, immer aber kommt es auf
die Gesinnung, das sittliche Bewusstsein an, das freilich irren kann.
- »Intentio faciendi propter Deum quod convenit et dimittendi quod non convenit sola in se
bona est; opus vero quodcunque numquam ex se bonum appellatur, nisi si ex bona intentione procedit. Intentionis igitur bonitas
est propria, operis vero tantum communicata« (Scito te ipsum, C. 7). Das objektiv Gute ist das dem göttlichen Willen
Gemäße und dieses ist das natürliche Sittengesetz. Höchstes Gut ist Gott
und die Liebe zu ihm.“
Zitiert
aus:
Eisler:
Philosophenlexikon, S. 1 ff. Digitale Bibliothek Band 3: Geschichte der
Philosophie, S. 16933 (vgl. Eisler-Phil.*, S. 3 ff.)